RHZ 1997

Rhein-Hunsrück-Zeitung vom 12.07.1997

Boppard zur Stadt des Optimismus machen

Vorgabe des neuen Bürgermeisters Dr. Bersch gestern bei Amtseinführung – Verabschiedung von Wolfgang Gipp

BOPPARD. GS. Historischer Tag in Boppard: Der erste urgewählte Bürgermeister der Stadt leistete den Amtseid – der letzte “klassisch” (vom Rat) berufene wurde in den (politischen) Ruhestand verabschiedet. Volksfeststimmung bei der Open-air-Sitzung des Kommunalparlaments auf dem Marktplatz.

Politprominenz (Bundes- und Landtagsabgeordnete, Ober- und Bürgermeister, Landrat, Regierungsvizepräsident, sogar SPD-Bundesgeschäftsführer Franz Müntefering) nicht zuletzt aber zahllose Zuschauer waren auf dem Marktplatz bei hochsommerlichem Wetter Zeugen einer fast nach gewohntem Ritual zelebrierten Stadtratssitzung – dazu gedeckte Farben bei den Hauptakteuren Wolfgang Gipp (alt), Dr. Walter Bersch (neu) und Friedrich Hicke (amtierender Bürgermeister: “Ich stelle fest, es wurde form- und fristgerecht eingeladen”). Unterschiedliche Positionen hatten die Gattinnen der Bürgermeister eingenommen: Romy Gipp (dunkel gewandet) auf überdachter Rats-Bühne, Ingrid Bersch, weinrot gedresst, vom Volke gesäumt und 15 Meter Luftlinie vom aufgestiegenen Gatten (rote Krawatte) entfernt.

Die “Turmbläser” ordneten bedeutsamen Auftritten “weihevolle” Klänge zu. Wolfgang Gipp erinnerte an 27 Jahre Tätigkeit in vier verschiedenen Bereichen öffentlichen Lebens (Kommunalverwaltung, Fachhochschule, Gemeinde- und Städtebund, Kommunalpolitik), wobei seinem unmittelbar zurückliegenden Tätigkeitsfeld nicht nur ungetrübte Erinnerungen galten: “Das Arbeits- und Diskussionsklima war in den letzten Jahren nicht immer sachlich und konstruktiv. Nachdem so mancher Pulverdampf verzogen war, war es in Boppard eben nicht immer möglich, sich bei einer ,Nachsitzung’ wieder entspannt zusammenzusetzen”.

Bilanz über zehn Jahre zog Gipp nur marginal. “Neben den vielen ideellen und materiellen Veränderungen in der Stadt”, wollte er in diesem Zusammenhang nur auf “einige augenfällige, weil bauliche Leistungen, stellvertretend” hinweisen: “Stadtsanierung, Fußgängerzone, Archäologischer Park mit Römerkastell, B 9/II, Bahnhof/Syrée-Platz, Verkehrsregelungen, bessere Bewältigung der Parksituation, Beginn eines Parkdecks in diesen Wochen, Ausbau des Mühltals nach fast 30jährigen Bemühungen, Erschließung von Buchenau I nach ebenfalls 30jährigen Vorbereitungen”. Gipp: “Und erstmals in der Geschichte der Stadt ist die Kurtrierische Burg Ihr Eigentum. Ob es nur Freude sein wird, wird sich zeigen.” Erfolglosigkeit in Sachen Marienberg räumte der scheidende Mann ein. Mit dem Seneca zugeschriebenen Zitat “Nicht wer wenig hat ist arm, sondern wer viel wünscht” schloß Wolfgang Gipp.

Diesen Gedankengang griff danach auch Dr. Walter Bersch als Nachfolger auf: “Viele meinen, ich würde heute ein sehr schweres Amt antreten, weil die Finanzen dieser Stadt knapper geworden sind. Kein vernünftiger Bürger verlangt jedoch in dieser Zeit von mir eine Entscheidung darüber, ob wir zuerst in diesem oder in jenem Ortsbezirk eine Stadthalle bauen.” Kommunalpolitik sei also nicht schwieriger geworden, es sei vielmehr ein “radikaler Themenwechsel” angesagt. Nicht mehr länger könne man sich mit Fragen beschäftigen, etwa “wo können wir noch etwas Schönes hinbauen?” “Mehr um die Menschen bemühen, unseren Schulen die gleiche Aufmerksamkeit wie unseren Feuerwehren widmen”, war einer der Fingerzeige auf künftiges Agieren des Neuen. Bersch will sich bemühen, den Dienstleistungsstandort Boppard zu verbessern. “Leitplanken” bei der Fahrt in die Zukunft seien: “Keine vermeidbaren Schulden und keine vermeidbaren Steuererhöhungen”. Bersch: “Lassen Sie uns Boppard zur Stadt des Optimismus machen!”

 

 

Rhein-Hunsrück-Zeitung vom 02.08.1997

Im Dschungel kräftig geholzt

Boppards Bürgermeister löst Ämter auf

BOPPARD. GS. Der erste Tag begann gleich mit einem Befreiungsschlag: Bei Übernahme der Amtsgeschäfte als Bürgermeister der Stadt Boppard hat Dr. Walter Bersch gestern zuerst mal “geholzt”. Nicht beim Personal, aber im Dschungel der Bürokratie. Sieben Ämter wurden ruck, zuck aufgelöst.

Die Aufgaben bleiben, werden aber anders zugeordnet und dem Kunden “verschlankt” dargeboten. Zielrichtung, so Bersch im Gespräch mit unserem Blatt: “Bürgerorientiert – das steht im Gegensatz zu vielem Althergebrachten.” Untergliedert wird die mit etwa 160 Bediensteten nicht gerade kleine Verwaltung in drei Geschäftsbereiche. Der Bürgermeister hat sich “Organisation” (Bereichsleiter Helmut Biller) und “Steuerung und Finanzen” (Bereichsleiter Udo Strieder) unmittelbar vorbehalten. Ebenso ein direkt dem Verwaltungschef unterstelltes “Bürgerbüro – Bürgerservice”, in dem ein Mitarbeiter, “fern von Zuständigkeitsüberlegungen ratsuchenden Bürgern als erster Ansprechpartner zur Verfügung steht”, so Walter Bersch.

Stellvertreter des Bürgermeisters ist der 1. Beigeordnete Friedrich Hicke, dem der Geschäftsbereich III (Leiter Günter Firmenich) mit “Planen und Bauen” zugeordnet ist.

Amtsleiter im seit Jahrzehnten gewohnten, klassischen Sinn wird es in Boppard künftig nicht mehr geben, wenn auch die bisherigen Funktionsträger bis zum Ausscheiden noch in der gewohnten Gehaltsgruppe besoldet werden (müssen). Zeitverträge, so der neue Chef, “werden nicht mehr verlängert”.

Daß ein Ratsuchender künftig die Wanderung durch diverse bislang so genannte “Ämter” antreten muß um seine “sieben Sachen” zusammenzutragen, soll es nicht mehr geben. Dr. Bersch: “Wenn ein Vorgang entsteht, ist einer allein dafür verantwortlich. Der muß die Angelegenheit in der Hand behalten.”

Weitere neue Akzente. Der Bürgermeister: “Im Geschäftsbereich ,Steuerung und Finanzen’ sind auch Schwimmbad, Kurfürstliche Burg mit Museum und Tourist Information aufgeführt. Damit wird zum Ausdruck gebracht, daß in den fraglichen Bereichen zur Entlastung des städtischen Haushalts privatwirtschaftliche Lösungen gesucht werden.”

Insgesamt soll die Neuorganisation – so Bersch – “weniger Leitungs- und Delegationsaufgaben, dafür mehr Sachbearbeitung leisten. Eigenverantwortlichkeit und Entscheidungskompetenz des Einzelnen werden dadurch gestärkt, Mehrfachzuständigkeiten in bestimmten Sachfragen beseitigt.”

Die Personalkosten der Stadt Boppard stehen 1997 mit 10,6 Millionen Mark zu Buche. In dieser Größenordnung dürfte es nicht mehr bleiben. Es gibt Personaleinsparungen. Bersch: “deutlich weniger”.

Mehr symbolisch zu verstehen der Umzug des “Neuen” näher zum Volk: Dr. Bersch plaziert sich künftig im Eingangsbereich der Verwaltung. Sozusagen: Weg aus der Etappe, ran an die Front!

 

 

Rhein-Hunsrück-Zeitung vom 14.08.1997

Rathaus macht sich fit für die Bürger

Personalrat stimmt Ämterauflösung zu

BOPPARD. GS. Die Abkehr vom “klassischen” Organisationsprinzip einer Verwaltung mit vielen “Ämtern” kann in Boppard laufen. Der Personalrat der Stadt hat dem vom neuen Bürgermeister vorgelegten Organisationsplan (allen Unkenrufen zum Trotz. Red.) zugestimmt.

Er setzt grundlegendes Umdenken (bei den betroffenen Mitarbeitern) voraus und soll nach dem Willen des Vordenkers zu mehr Bürgerorientiertheit der Verwaltung führen. Das Rathaus als Dienstleistungszentrale ist die Vorstellung von Dr. Walter Bersch: “Ganzheitliche Sachbearbeitung und Stärkung der Eigenverantwortlichkeit” sollen dies bewerkstelligen.

Das Stadtoberhaupt über das zustimmende Votum des Personalrats, der etwa 160 Bedienstete vertritt: “Ich bin sehr froh und glücklich darüber, daß die Mitarbeiter die Einsicht teilen: ,Es muß sich etwas verändern’”.

Künftig wird es statt sieben Ämtern nur noch drei Geschäftsbereiche geben, die in “Organisation”, “Steuerung und Finanzen” und “Planen und Bauen” unterteilt sind. Nach einer Trainingsphase hoffen Walter Bersch und Mannschaft mit Ablauf des Monats August fit für die Bürger zu sein.

 

 

Rhein-Hunsrück-Zeitung vom 22.08.1997

Einfach laufen lassen – oder doch neue Spielregeln?

Verkehrsbelastung auch durch Busse in Boppards Innenstadt wird immer unerträglicher

BOPPARD. Immer wieder erfreut es Bopparder zu sehen, wie gerne die Stadt von Touristen angesteuert wird. Doch alles kann auch mal zur Plage werden. Busse als Spielverderber – das war schon jüngst hier das Thema.

Spaß an der Freude für die Einheimischen, insbesondere Anlieger hört spätestens dann auf, wenn “Kästen” im “Formationsflug” durch enge und engste Gäßchen “einfliegen” und in Boppards Rheinanlagen regelmäßig der Verkehr zusammenbricht, vom Gestank ringsum einmal ganz zu schweigen. Busparkplätze gibt es zwar, sie werden aber nur ungenügend genutzt. Da besteht Handlungsbedarf.

Ihren vorläufigen Höhepunkt erreichte die Bus-Tourismus-Saison ’97 jetzt an einem Nachmittag bei glühender Hitze. Bus auf Bus wälzte sich von der Kreuzung Simmerner Straße/Oberstraße über die Karmeliterstraße zum Rhein. Unten dann Ende. Dazwischen Spaziergänger, Personenautos, auch aus Seitenstraßen in die Schlange stoßend, und an den Fenstern genervte Anlieger, die das Schauspiel zu ihren Füßen fassungslos “bestaunten”.

Betroffen auch Bürgermeister Dr. Walter Bersch und Erster Beigeordneter Friedrich Hicke, die zu einer Verabschiedung des Gemeinde- und Städtebundes für den Altbürgermeister per Pkw zu Wolfgang Gipp eilen wollten. Ein vorübergehend hoffnungsloses Unterfangen.

Boppard wird, um das Neben- und Miteinander von Bürgern und anreisenden Gästen auf eine vernünftige Basis zu stellen, sich neuen Verkehrsregelungen in der Innenstadt nicht entziehen können. “Laufenlassen” oder “Augen zu und durch” läuft nicht! Der neue Bürgermeister sieht das ähnlich, wie er im Gespräch mit unserem Blatt betont. Das Fahren, Parken und Abstellen von Fahrzeugen, das Überwachen des ruhenden Verkehrs, der Interessensausgleich von Fußgängern und motorisierten Verkehrsteilnehmern – alles dieses werde überdacht und in eine entsprechende Initiative münden, kündigte Dr. Bersch an. Auf denn! Gerhard Seib

 

 

Rhein-Hunsrück-Zeitung vom 28.08.1997

Parkdeck am Marienberg kostenfrei

Bürgermeister: Mehr Stellplätze in Boppard kostenlos nutzen

Die Bürger können sich freuen: In Boppard wird die Parkraum-Bewirtschaftung – so das Amtsdeutsch – gelockert. Das kündigte Bürgermeister Dr. Walter Bersch jetzt bei der Jahreshauptversammlung der Werbegemeinschaft im “Bellevue” an.

Zwei von vier Politessen werden – wieder Amtsdeutsch – “einer anderen Verwendung zugeführt”. Im Rathaus und nicht mehr auf den Straßen der Stadt.

Bis jetzt noch kostenpflichtige Stellplätze sollen künftig ohne Vignette nutzbar sein. Gedacht ist dabei zunächst einmal an den Bereich Rheinallee zwischen Bundesakademie und Gymnasialsporthalle. Gedacht ist auch daran – so Dr. Bersch – samstags keine Parkgebühren mehr zu erheben.

Und: Das Parkdeck unterhalb Marienberg, mit dessen Bau noch in diesem Jahr begonnen wird, soll nach den Vorstellungen des Stadtoberhaupts kostenfrei nutzbar sein. Damit könnte sich die Akzeptanz der wegen ihres “abseitigen” Standorts in der Öffentlichkeit höchst umstrittenen künftigen Einrichtung schlagartig erhöhen.

Die Stadt habe dabei keinen Verlust, erläuterte Walter Bersch gegenüber unserem Blatt die überraschende Wende: Die von der Stadt für das Parkhaus (Baukosten 3 Millionen) aufzuwendende eine Million Mark werde finanziert über 74 Stellplatzverpflichtungen (à 13 500 Mark). Die restlichen Baukosten steuern Land und Bund aus Sanierungs-Zuwendungen bei, die seinerzeit für das nicht realisierte “Stierstall”-Parkhaus (am heutigen Römerkastell) hätten fließen sollen. GS

 

 

Rhein-Hunsrück-Zeitung vom 03.09.1997

Reichlich Ballast über Bord geworfen

Boppard muß Nachtragshaushalt aufstellen – Städtischer Sparkurs wird 1998 verstärkt fortgesetzt

BOPPARD. GS. “Wir sind gnadenlos vorgegangen”, sagt der Bürgermeister martialisch, als er die Gemengelage auf dem Schlachtfeld beschreibt. Opfer hat der Kampf reihenweise gefordert. “Mit Ausnahme der Martinsbrezel ist alles weg – rausgeknallt”, konstatiert der Feldherr. Kahlschlag!

Die Vorgabe der oberen “Heeresleitung” (Kommunalaufsicht beim Kreis) sieht der Bopparder Verwaltungschef Dr. Walter Bersch erfüllt. Deren Forderung angesichts leerer Kassen und keiner Aussicht auf kurzfristige Besserung: “Freiwillige Leistungen sind bei einem unausgeglichenen Haushalt nicht vertretbar. Aus diesem Anlaß bitten wir alle Zuschüsse im Rahmen des Verwaltungshaushaltes auf ihre unbedingte Notwendigkeit zu überprüfen.” Das ist geschehen. Der inzwischen unumgänglich notwendige

Erste Auswirkungen

Nachtragshaushalt ’97 liegt nun “gereinigt” vor. Kredite waren darin nicht vorgesehen. Nun mußte diese Erwartung von 0 auf 2 076 800 Mark korrigiert werden. Einer der Hauptnutznießer: die Hauptschule. Sie wird erweitert.

Ab 1998 wird der Personaletat der Stadt entlastet – um acht Stellen, was summa summarum etwa 400 000 Mark ausmache, hat Walter Bersch errechnet. Das entspreche im Jahr 1 nach der Organisationsreform in der Stadtverwaltung mehr als drei Prozent der Gesamtpersonalkosten.

Steuererhöhungen sollen vermieden werden. Dennoch gelte es, die Einnahmenseite der Stadt zu verbessern. Davon ausgehend, daß der städtische Kurbeitrag (2 Mark pro Tag für Gäste) in der City angesichts der geschlossenen Kurklinik “Belgrano” ernsthaft zu überdenken sei, müssen neue Geldquellen erschlossen und – so Dr. Bersch – “zweckgebunden” eingesetzt werden. Für die Fremdenverkehrswerbung beispielsweise, die nicht aus allgemeinen Steuermitteln finanziert werden dürfe. Konsequenz: Der Fremdenverkehrsbeitrag (früher “A”) solle eingeführt und nicht “zum Stopfen von irgendwelchen Haushaltslöchern verwandt werden”. Gearbeitet werde jetzt an einer Satzung.

Mit Vorlage des neuen Haushaltsplanes ’98 – so der Bürgermeister im Vorgriff auf die nunmehr anstehenden Beratungen in den städtischen politischen Gremien – will die Verwaltung auch den

Verwendungsnachweis

“Nachweis liefern, welche Gelder für welche konkreten Zwecke in welche Ortsbezirke fließen”. Das gelte sowohl für den Vermögens-, wie für den Verwaltungshaushalt. “Sämtliche Verwaltungstätigkeiten”, nicht nur die des Bauhofs, sollen “einer genauen Kosten- und Leistungsrechnung unterworfen werden, um so künftig schneller entscheiden zu können, wo Reformbedarf besteht und wo gegebenenfalls ,alte Zöpfe’ abgeschnitten werden müssen”.

Bersch lobt die Winzer für ihre Einsicht, “durch energisches Zupacken sicherstellen zu wollen”, daß das Weinfest kein Defizit mehr einfährt. Und die Feuerwehrspitze habe Verständnis dafür geäußert – so der Bürgermeister – “daß wir uns in diesen Zeiten keine Feuerwehrhaus-Erweiterung mit Gesamtkosten von 3,404 Millionen Mark leisten können”. “Kleine bauliche Maßnahmen” sollen die “übelsten Mißstände” beseitigen.

 

 

Rhein-Hunsrück-Zeitung vom 23.09.1997

Mit neuem Gewerbepark in die Offensive

Gemeinsamer Zweckverband für “Hellerwald II” zwischen Boppard und Kratzenburg aus der Taufe gehoben

BOPPARD/KRATZENBURG. GS. Offensiv voran! Das ist die Devise für den Industrie- und Gewerbepark “Hellerwald” bei Boppard. Gestern konstituierte sich der Zweckverband. Ende ’97 soll für Abschnitt II Planreife bestehen. Und dann? “Vermarktung” heißt das Zauberwort. Boppard und Kratzenburg wollen im Konzert der florierenden Gewerbestandorte mitspielen.

Bisher wurde “Hellerwald” ausschließlich von Boppard betreut und betrieben. Gewichtigste Ansiedlung ist die Bomag. Und mit ihr kamen weitere Unternehmen. Insgesamt sind im Bopparder “Hellerwald” etwa 371 000 Quadratmeter Fläche besiedelt (nicht verbaut). Noch stehen für weitere Ansiedlungen gut elf Hektar ehemaliges Waldland zur Verfügung. Und mit dem Windwurf vor wenigen Jahren, der aus Wald urplötzlich potentielles Gewerbegebiet werden ließ, kommen 23 Hektar hinzu. Auf Kratzenburger Gemarkung (VG Emmelshausen). Doch ohne Bopparder Infrastruktur (Kläranlage Buchholz, beispielsweise) läuft nichts. Die Lösung heißt: Gemeinsamkeit.

Bersch Vorsitzender

Die manifestiert sich zunächst einmal im Zweckverband. Bei der Stadt Boppard liegt die Geschäftsführung, und zum Vorsitzenden wurde gestern Bürgermeister Dr. Walter Bersch gewählt. Stellvertretender Verbandsvorsteher ist der Emmelshausener VG-Bürgermeister Peter Unkel. Beschlossen wurde gleich die Aufstellung eines Bebauungsplans und die Annahme des Plan-Vorentwurfs.

Erwartet wird beim Zweckverband die Ansiedlung erster Betriebe bereits im Laufe des kommenden Jahres – erschlossen von der Alten Römerstraße aus. Die restlichen Erschließungsflächen im weiten Bogen neben Hunsrückbahn und Bundesstraße 327 sollen bis Ende ’98 vermarktet werden können.

Vorsteher Dr. Walter Bersch kündigte im Gespräch mit unserem Blatt “größtmögliche Freiheit” für Betriebe an, was deren Gestaltungsmöglichkeiten der Bebauung anbelange. Bürokratische Reglementierungen müßten auf ein Minimalmaß reduziert werden, kündigt Dr. Bersch die Strategie an, mit der Boppard/Kratzenburg und die Verbandsgemeinde Emmelshausen an die Vermarktung gehen wollten. Im Internet werde man weltweit präsent sein und für den Standort hoch über Boppard werben.

Attraktiver Preis

Als gutes Verkaufsargument für die “Hellerwald-II-Flächen” wird der – wie die Verantwortlichen meinen – attraktive Preis von 30 Mark (voll erschlossen) für den Quadratmeter sein, bei einem noch immer, im Vergleich zur Nachbarschaft, relativ günstigen Gewerbesteuersatz von 340 Prozent.

Im Visier der “Strategen”: kapitalintensive Betriebe – keine “Dreckschleudern”. Die wolle man sich als Fremdenverkehrsregion nicht antun. Auf jeden Fall müssen mindestens 50 Prozent der angesiedelten Unternehmen dem produzierenden Gewerbe angehören. Dies sei angesichts der Förderrichtlinien geboten, betont Bersch.

Ausgewiesen wird im von “Stadt-Land-Plus” (Boppard-Buchholz) entwickelten Bebauungsplan-Vorentwurf ein großer, zentral für den gesamten “Hellerwald” gelegener Messe- und Marktplatz. Auf ihm – so die Vorstellung – könnten überregional interessante Gewerbe- und Verbraucher-Schauen aufgezogen werden. Bahn-, Straßen- und Autobahnanschluß sind dicht dabei.

Wer bietet mehr?

 

Rhein-Hunsrück-Zeitung vom 25.09.1997

Einer heiligen Kuh geht’s nun ans Leder

Fremdenverkehrsbeitrag für Tourismus-Nutznießer in Boppard steht mutmaßlich unmittelbar bevor

BOPPARD. Tourismus ist in Boppard so etwas wie eine heilige Kuh. Viele melken, und daß Milch fließt ist irgendwie “gottgegeben”. Seit Jahrzehnten. Wird der Lebenssaft aber dünner, beginnt die Spurensuche. Wer profitiert wovon? Wer zahlt wofür? Oder nicht? Die Stadt wird sich neu orientieren (müssen). Das Diktat der leeren Kassen ist “normative Kraft des Faktischen”.

Boppard gilt als eine der Fremdenverkehrsmetropolen in Rheinland-Pfalz. Unterhalten wird ein aus allgemeinen Steuermitteln der Bürger betriebenes Tourismusbüro. Von den Übernachtungsgästen werden in der City und Bad Salzig (für die Kureinrichtungen in der Stadt) zwei Mark pro Nacht abverlangt. Kontrolle gibt es nicht. Den Beherbergungsbetrieben wird korrekte Abrechnung unterstellt.

Nun dürfte vieles anders werden. Die Stadt steht vor der Einführung des Fremdenverkehrsbeitrags. Ihm unterliegen alle selbständigen Personen und Unternehmen, die durch den Fremdenverkehr einen unmittelbaren oder mittelbaren wirtschaftlichen Vorteil haben. Der Hauptausschuß stellte jetzt erste Weichen (neu).

In nichtöffentlicher Sitzung wurde von der Verwaltung darauf verwiesen, daß von 1976 bis 1996 Zuschußbedarfe (für den vom Verkehrsamt zu verwaltenden Etat-Abschnitt) in einer Gesamthöhe von mehr als 7,5 Millionen Mark entstanden seien. Zähle man Zins und Zinseszins hinzu, ergebe sich ein Betrag von fast elf Millionen Mark (nicht eingerechnet: Kostenanteile des Fremdenverkehrs für u.a Grünanlagen und dergleichen). Eine Gegenrechnung: Für ’96 und ’97 sind im Haushaltsplan jeweils Einnahmen aus Kurbeiträgen (Übernachtungsgelder) in Höhe von rund 400 000 Mark erzielt bzw. eingestellt worden. Der Kalkulation des Kurbeitrags – darauf wird verwiesen – liegen Kostenanteile für Herstellung und Unterhaltung von Kur- und Fremdenverkehrseinrichtungen von mehr als 700 000 Mark pro Jahr zugrunde. Nicht eingerechnet: Fremdenverkehrswerbung.

Dies ist der Stadt, von Jahr zu Jahr deutlicher werdend, aus dem Ruder gelaufen. Über den (früher so genannten) Fremdenverkehrsbeitrag A (heute ohne A), der dies hätte richten können, wurde zwar schon seit Jahren im Rat und in den Ausschüssen gestritten. Dennoch: Es gibt ihn nicht.

Die jüngste Hauptausschuß-Sitzung deutete ein Umdenken an. Angenommen wurde von der Mehrheit ein Verwaltungs-Papier, das auf einem Satzungsmuster des Gemeinde- und Städtebundes basiert und sich bei der Festlegung der Umsatzanteile, der Gewinnsätze und des Hebesatzes (acht Prozent) an der bereits seit Jahren geltenden Satzung der Stadt St. Goar orientiert. Der Kurbeitrag soll dabei zunächst halbiert werden, dann wohl aber endgültig entfallen. Ebenso – beispielsweise – Standgebühren (an die Stadt) für Gewerbetreibende.

Bürgermeister Dr. Walter Bersch gegenüber unserem Blatt auf Anfrage: “Die Satzung ist anderenorts in Rheinland-Pfalz bereits durch juristische Mühlen gedreht worden. Boppard ist eine der letzten Städte im Lande, die erst jetzt das Thema konkret angeht.”

1998 steht eine neue Beitragspflicht für die Nutznießer des Tourismus ins Haus. Vom Campingplatzbetreiber bis zum Arzt. Darauf deuten die Anzeichen unmißverständlich hin. Die CDU, stärkste Kraft im Rat und bisher immer vehement gegen die neue “Steuer”, hat sich im HA noch Bedenkzeit auserbeten. Keine neue Erkenntnis: Bei desolater Haushaltslage kennt der Gesetzgeber kein Pardon . Gerhard Seib

 

 

Rhein-Hunsrück-Zeitung vom 8.10.1997

Wer profitiert, muß “Steuer” zahlen

Stadtrat Boppard stimmte mehrheitlich für Fremdenverkehrsbeitrag schon ab nächstem Jahr

In Boppard wird eine sogenannte Fremdenverkehrssteuer eingeführt. Der Stadtrat stimmte mehrheitlich dafür.

Von Gerhard Seib

Boppard. Nun ist er da, der Fremdenverkehrsbeitrag. Wer in Boppard vom Tourismus profitiert, muß ab 1. Januar ’98 sein Scherflein zum Betrieb und Erhalt von Kur- und Fremdenverkehrseinrichtungen in der Stadt beisteuern. Der Rat führte die Abgabe mit relativ deutlicher Mehrheit ein.

Nahezu einzige Möglichkeit städtischer Geldbeschaffungsmaßnahmen war der Fremdenverkehrsbeitrag, alles andere ausgereizt. Darauf wies Bürgermeister Dr. Walter Bersch hin und erwähnte taufrische Zusatzkosten für die im Minus agierende Stadt: höhere Beiträge für Kindergärten an den Kreis; weitere 41 Fälle von Bürgern, denen Hilfe zum Lebensunterhalt zu zahlen ist.

FDP-Sprecherin Ulla Ringelstein dazu: “Gegen jede weitere Belastung.” Koblenz erhebe einen solchen Beitrag nicht und auch nicht Mainz. Der Umsatz als Bemessungsgrundlage sage nichts aus über Schulden oder Investitionen des Veranlagten. Die Hälfte der geschätzten Einnahmen von 400 000 Mark gehe für die Bearbeitung des Ganzen drauf (Heinz Krautkrämer).

CDU-Vormann Dr. Jürgen Mohr, bei vollen Kassen immer gegen den Beitrag, signalisierte Teilzustimmung. Einwände aber im Detail: Die Gleichbehandlung der Stadtteile sei nicht gewährleistet, der Kurbeitrag (2 Mark) müsse wegfallen, Standgelder auf symbolischen Betrag reduzieren, Überarbeitung der Berechnungsgrundlagen für Kur- und Fremdenverkehrseinrichtungen. Zustimmung insgesamt nur bei Überarbeitung des “Kleingedruckten”.

Hajo Simon (Grüne), der Bürgermeister und Gerd Galeazzi (SPD) witterten darin eine Verzögerungstaktik der CDU. “Aussitzen bringt nichts” rief Simon dem Gegenüber zu.

August Perll (CDU) kritisierte die Ungleichbehandlung Bopparder und Spayer Winzer. Geschätzte Kosten für die Städter: 2000 Mark pro Jahr, für die Spayer 0.

Am Ende, nach etwas wirren Abstimmungsverfahren: 18 (SPD, Grüne, BG, eine CDU-Abgeordnete und Dr. Bersch) für den Beitrag, 13 dagegen (CDU, FDP).

 

Rhein-Hunsrück-Zeitung vom 10.10.1997

Mit Arbeit wieder zum Arbeitsmarkt finden

Programm für Sozialhilfeempfänger in Boppard

Von Gerhard Seib

Boppard.

Wirtschaftliche Entwicklung im Land ist bei Sozialämtern ablesbar. Es steigt die Zahl derer, die sich dort ihre Hilfe zum Lebensunterhalt abholen. In Boppard waren das am 1. Juli 269 Fälle (Familien und Einzelpersonen). Drei Monate später, am 1. Oktober: schon 311. Die Kommune will nun gegensteuern.

Als Faß ohne Boden entpuppt sich der Etatposten “Soziale Sicherung”. Eingeplant für ’97: rund 5,5 Millionen Mark (1992: 3,617 Millionen). Eine Million übernimmt das Land (Asylbewerber), den Rest tragen zu 25 Prozent die Stadt und zu 75 Prozent der Kreis. Bei ohnehin defizitärem Etat rechnet Bürgermeister Dr. Walter Bersch mit einem Überschreiten des städtischen Ansatzes um etwa sechs Prozent.

Wer erwerbstätig sein könnte, arbeitslos ist und zum Personenkreis gehört, der “Kunde” beim Sozialamt ist, soll nun Arbeiten für die Allgemeinheit verrichten. Ziel: Unterstützung bei Eingliederung in den Arbeitsmarkt, Arbeit statt Sozialhilfe zu finanzieren und mittelfristig eine Kostendämpfung im Sozialhaushalt zu erreichen. Partner: “Gemeinnützige Gesellschaft für Arbeitsmarktförderung mbH” und Arbeitsamt.

Projekte, die in der Stadt mit arbeitslosen Sozialhilfeempfängern und für diese angepackt werden sollen, sind: Kleiderkammer, Möbellager, Fahrrad-Werkstatt. Über Kleidersammlungen wird eine Kleiderkammer mit gut erhaltenen Klamotten eingerichtet und unterhalten. Angebotene Möbel werden abgeholt, überholt, repariert und der Klientel kostenlos zur Verfügung gestellt. Und: Eine Werkstatt betreut Fahrräder und leiht diese über Hotels und Tourist Information Gästen aus.

Eine Reinigungsgruppe soll gegen Graffittis, Schmierereien, wildes Plakatieren und “Pißecken” angehen. Entbuschungsaktionen im Hamm fallen ebenfalls in die Möglichkeiten der “sozialen Eingreiftruppe”, die für ihre Dienste als zusätzliches Salär zwei Mark pro Stunde von der Stadt erhält.

Der Bürgermeister: Wer kann, aber nicht will, muß mit 25prozentiger Kürzung seiner Unterstützung rechnen, bei fortgesetzter Weigerung mit Totalwegfall. Vorsicht: Es wird kontrolliert!

Sozialhilfe – so sieht es der Gesetzgeber vor – soll die Führung des Lebens ermöglichen, “das der Würde des Menschen entspricht”. Sozialhilfe ist nicht gedacht für jemanden, der sich selbst helfen kann oder wer die erforderliche Hilfe von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Sozialhilfe: letztes Glied in der Unterstützungskette.

 

 

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